Eine Alzheimer Erkrankung bringt sowohl Betroffene, ihre Angehörige wie auch Sozialsysteme an Grenzen. Betroffene, weil die Krankheit ihren Wesenskern fortschreitend zerstört. Nicht umsonst gehören Demenzen zu den meistgefürchteten Krankheiten in Deutschland.1 Auf Angehörige kommen, neben den emotionalen Belastungen, Betreuungsaufgaben hinzu, die nicht alleine zu bewältigen sind. Aufgrund der hohen Krankheitslast ist die Alzheimerdemenz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei sind unsere Pflegesysteme schon jetzt überlastet – und die Prävalenz der Alzheimerkrankheit steigt kontinuierlich, weil wir immer älter werden.
Gehirngesundheit und effektive Prävention zur Verzögerung oder Verhinderung einer Alzheimer-Erkrankung sollte deshalb schon früh im Leben eines Menschen beginnen und sich zeitlebens fortsetzen. Die adäquate Versorgung von Alzheimer-Erkrankten in Deutschland ist bereits heute anspruchsvoll und künftig wird sich dies weiter akzentuieren. Insofern ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die Behandlung der Betroffenen nach gesicherten Standards erfolgt, für mehr Aufklärung über die Möglichkeiten der Prävention und die zielgenaue Allokation moderner Alzheimertherapien – zum Wohle der Patienten und Nutzen der Gesellschaft.
Die Webseite «Alzheimer Qualitätshandbuch» ist auf Initiative der drei Berufsverbände der Fächer Neurologie, Psychiatrie und Nervenheilkunde (BDN/BVDP /BVDN) entstanden mit dem Ziel wissenschaftliche Evidenz praxistauglich in Versorgungstandards zu übersetzen um einen Beitrag zur langfristigen Verbesserung der Prävention und Versorgung von Patienten mit einer Alzheimer Erkrankung in Deutschland zu leisten.
Inhaltlich halten wir uns weitgehend an die S3 Leitlinien Demenzen2 und bei den medikamentösen Therapien an die entsprechenden Fachinformationen. Um als Arbeitsinstrument im Klinik- sowie Praxisalltag praktisch anwendbar zu sein, wurden die Informationen jedoch zum Teil deutlich komprimiert.
Im Fokus des Qualitätshandbuch steht die frühe Alzheimer Erkrankung, insbesondere:
Gehirngesundheit und Prävention
Prävention zur Verzögerung oder Verhinderung einer Alzheimer-Erkrankung beginnt schon früh im Leben eines Menschen und setzt sich zeitlebens fort. Gemäss Modellberechnungen wären im Idealfall bis zu 45% aller Demenzfälle vermeidbar!3
Diagnostik
Eine zuverlässige Diagnose ist eine Grundvoraussetzung für therapeutische Massnahmen einer Krankheit. Dank dem Einbezug von Biomarkern wurde bei der Diagnostik der frühen Alzheimerstadien gute Fortschritte erzielt, sodass wir heute Möglichkeiten haben, die Krankheit in einem relativ frühen Stadium zuverlässig zu diagnostizieren.
Therapie
Krankheitsmodifizierende Immuntherapien werden ein Meilenstein in der Behandlung der Alzheimer Erkrankung sein, jedoch wird nur ein kleiner Teil von Patienten in einem frühen Krankheitsstadium die Therapiekriterien erfüllen und die Therapien sind komplex in Anwendung, Monitoring und Patientenbetreuung. Auf gesellschaftlicher Ebene sind wir gefordert umsichtig damit umzugehen.
Die krankheitsmodifizierenden Immuntherapien bieten uns erstmals die Möglichkeit ursächlich in die Alzheimer Pathologie einzugreifen mit dem Ziel das Fortschreiten der Krankheit hinauszuzögern. Dem gegenüber stehen eine Reihe von Herausforderungen und wir alle, die in der Versorgung von Alzheimer-Betroffenen tätig sind, müssen sich dessen bewusst sein und entsprechend verantwortungsvoll und mit Bedacht handeln.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist, Patienten, die für eine Therapie in Frage kommen sorgfältig auszuwählen. Sind Ein- und Ausschlusskriterien für die Therapie erfüllt und ist der Patient gewillt, die möglichen Risiken einer Immuntherapie einzugehen? Hoffnungen von Betroffenen und ihren Angehörigen können allenfalls nicht erfüllt werden, weil die Person nicht für die Therapie geeignet ist. Alternative Therapiemöglichkeiten stehen nicht unbedingt zur Verfügung. Dies ist beispielsweise der Grund, dass dieser Leitfaden die Wichtigkeit von präventiven Maßnahmen bis zu einem fortgeschritteneren Alzheimer-Stadium unterstreicht oder (anders als die S3 Leitlinien Demenzen2) auf – aus Sicht der Arbeitsgruppe – empfehlenswerte digitale kognitive Trainingsapps hinweist und Methoden wie die transkranielle Pulswellenstimulation bespricht.
Auf gesellschaftlicher Ebene bereiten uns die hohen Aufwendungen für Betreuung und Pflege von Alzheimer Erkrankten Sorge. Zukünftig werden nicht unerhebliche Kosten für Therapie und Monitoring hinzukommen und noch fehlen Hinweise, inwiefern diese Therapien die Selbständigkeit von Betroffenen längerfristig aufrechterhalten können und entsprechend weniger Betreuung und Pflege nötig sein wird. Bis einigermaßen robuste Daten dazu vorliegen wird es mehrere Jahre dauern, wie das Beispiel der Immuntherapien für die schubförmige Multiplen Sklerose4 zeigt.
Gemeinsam stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, eine adäquate Versorgung von Alzheimer-Erkrankten in Deutschland zu bewältigen. Eine sich ergänzende Zusammenarbeit von nicht-spezialisierten und spezialisierten Institutionen wird wichtiger werden zumal sich der Fokus in Richtung früherer Krankheitsstadien verschieben wird. Die Arbeitsgruppe rät Praxen und Institutionen sich zu überlegen, welchen Beitrag sie in der Prävention, Diagnostik und Therapie der Alzheimer-Erkrankung leisten wollen/können und sich die entsprechenden nötigen fachlichen Kompetenzen anzueignen bzw. sich für nicht abgedeckte Kompetenzen ein lokales oder regionales Netzwerk aufzubauen. Eine solche Herangehensweise trägt dazu bei, dass die Versorgung von Alzheimer-Betroffenen bereits ab einem frühen Krankheitsstadium nach gesicherten Standards erfolgen kann und die Qualität hochgehalten wird.
Wir hoffen, mit diesem Leitfaden ein klinisches Arbeitsinstrument geschaffen zu haben, das auf pragmatische Weise unterstützt, die großen Herausforderungen rund um die Prävention und Versorgung der Patienten in einem frühen Alzheimer-Stadium in Deutschland zu meistern. Anregungen für Ergänzungen und Verbesserungen dieser ersten Version des Leitfadens sind herzlich willkommen.
Projekt-Arbeitsgruppe Alzheimer Qualitätshandbuch der drei Berufsverbände der Fächer Neurologie, Psychiatrie und Nervenheilkunde (BDN/BVDP /BVDN) .
- Dr. med. Uwe Meier, Grevenbroich, 1. Vorsitzender BDN
- Prof. Dr. med. Martin Südmeyer, Potsdam, 2. Vorsitzender BDN
- Prof. Dr. med. Thomas Duning, Bremen, Beisitzer BDN
- RA Bernhard Michatz, Berlin, Geschäftsführer BDN
- Dr. med. Klaus Gehring, Itzehoe, 1. Vorsitzender BVDN
- Dr. med. Sabine Köhler, Jena, 1. Vorsitzende BVDN und 1. Vorsitzende BVDP
Wichtiger Hinweis
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