Patientenaufklärung und partizipative Entscheidungsfindung

Patientenaufklärung 

Die Menschen mit einer Alzheimer Krankheit und gegebenenfalls auch ihre Angehörigen sollen über die erhobenen Befunde und ihre Bedeutung im ärztlichen Gespräch aufgeklärt werden. Dieses Gespräch soll in einem der persönlichen Situation des betroffenen Menschen und der Angehörigen angemessenen Rahmen stattfinden. Dabei orientieren sich Art und Inhalt der Aufklärung am individuellen Informationsbedarf und -wunsch sowie am Zustandsbild des an Alzheimer erkrankten Menschen.1

Der Versorgungsleitfaden Alzheimer deckt primär die frühen Stadien der Alzheimer Krankheit ab, namentlich die leichte kognitive Störung (MCI) aufgrund einer Alzheimer-Erkrankung oder die leichte Alzheimer-Demenz. In diesen Phasen ist die Selbständigkeit des Patienten weitgehend oder mindestens teilweise erhalten, was bei der Patientenaufklärung entsprechend berücksichtigt werden soll.

Nach adäquater Patientenaufklärung sollen Entscheidungen für präventive, diagnostische oder therapeutische Maßnahmen nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung (Shared decision making) erfolgen.1 Insbesondere, wenn zukünftig eine Behandlung mit einer krankheitsmodifizierende Immuntherapie zur Diskussion steht, muss sorgfältig abgeklärt werden, ob der Patient (oder gegebenenfalls die Angehörigen) die gegebenen Informationen bezüglich des erwarteten Nutzens und zu den Risiken der Therapie bzw. die dadurch verbundenen Überwachungsmaßnahmen verstanden hat. Zudem soll dem Patienten genügend Bedenkzeit vor der Zustimmung zu einer Behandlung gegeben und eine schriftliche Einverständniserklärung eingefordert werden.

Für diesen Prozess verweisen wir auf verfügbare Informationsblätter der Deutschen Alzheimergesellschaft e.V. und von anderen etablierten Institutionen. Ob die Arbeitsgruppe Informationsblätter für die sich in Zulassung befindenden krankheitsmodifizierenden Immuntherapien zur Verfügung stellt, ist noch nicht abschließend geklärt.  

  1. DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 5.0, 28.02.2025, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 13.03.2025.

Gemäss den S3 Leitlinien Demenzen soll mit folgender Begründung eine Diagnose «zeitgerecht» erfolgen (Expertenkonsensus):

Unter dem Begriff «zeitgerechte Diagnose» wird ein Diagnosezeitpunkt verstanden, der eine bestmögliche weitere Behandlung und Versorgung der betroffenen Person ermöglicht. Das ist beispielsweise ein Zeitpunkt, an dem wirksame Interventionsmöglichkeiten eingesetzt werden können, von denen die betroffenen Personen profitieren, sei es im Sinne einer Verbesserung der Symptome oder einer Verzögerung des Fortschreitens des Krankheitsverlaufs. Eine bestmögliche Behandlungsqualität bedeutet auch die Ermöglichung eigenständiger informierter Entscheidungen in Bezug auf die eigene Lebensplanung (z.B. Advance Care Planning). Eine zeitgerechte Diagnose («timely diagnosis») ist nicht grundsätzlich, aber häufig eine Diagnose im frühen Krankheitsstadium.1 Diese Sichtweise steht im Einklang mit wissenschaftlichen Diskussionen auf internationaler Ebene, wird aber teilweise kritisch gesehen.

Nicht alle teilen diese Meinung, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) weist in einem Sondervotum in den S3 Leitlinien Demenzen darauf hin, dass es bisher keine eindeutige Evidenz dafür gibt, dass eine frühe Diagnosestellung von Vorteil ist und welcher Zeitpunkt als zeitgerecht anzusehen ist.1,2

Die DEGAM empfiehlt eine Diagnosemitteilung «entsprechend einer individuell an die persönliche Situation und Verfassung von Betroffenen und Angehörigen orientierten Vorgehensweise». Auch das Recht auf Uninformiertheit von Patienten soll berücksichtigt werden.1 Zudem rät die DEGAM, bei der Indikationsstellung die wahrscheinlich erhöhte Rate von Suizidversuchen und etwaige negative Auswirkungen auf die Lebensqualität zu berücksichtigen, insbesondere bei Personen mit einer leichten kognitiven Störung.1

  1. DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 5.0, 28.02.2025, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 13.03.2025.
  2. Günak MM, Barnes DE, Yaffe K, Li Y, Byers AL. Risk of Suicide Attempt in Patients With Recent Diagnosis of Mild Cognitive Impairment or Dementia. JAMA Psychiatry. 2021;78(6):659-666. doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.0150.

Verantwortliche für das Kapitel:

  • Dr. med. Uwe Meier
  • Prof. Dr. med. Martin Südmeyer

Redaktion:

  • Dr. Martina B. Sintzel