Gehirngesundheit und Prävention

  • Klären Sie ab, ob eine Hypertonie vorliegt1

    • Behandeln Sie eine arterielle Hypertonie auch mit dem Ziel einer Senkung des Risikos für eine kognitive Verschlechterung1
    • Hypertonie liegt vor:
    • Wiederholte Messung bei einem auffälligen Blutdruckwert
    • Zur Bestätigung der Diagnose, eine 24h-Langzeit-Blutdruckmessung empfohlen.
    • Idealer Zielwert gemäß Leitlinien Hypertonie:
      < 140/90 mmHg.*2
    • Die Lancet Kommission empfiehlt ab einem Alter von 40 Jahren, den systolischen Blutdruck bei ≤130 mm Hg konstant zu halten.3

    *Abhängig vom körperlichen Zustand, Begleiterkrankungen, kardiovaskulären Risikofaktoren, Belastungen durch die Therapie oder Polypharmazie können auch etwas höhere oder niedrigere Werte angemessen sein.2

    Empfehlungen zum Hypertoniemanagement (extern):

    Vorbeugung von Bluthochdruck3

    • Bei vorhandenen Risikofaktoren, den Patienten auf folgende Tipps ansprechen
    • Auf ausreichend Bewegung achten
    • Übergewicht vermeiden
    • Weniger Salz essen
    • Nur wenig Alkohol trinken
    • Stress vermeiden
    • Aufs Rauchen verzichten
  • Sprechen Sie den Patienten auf folgende weitere präventiven Maßnahmen an1

    • Menschen, die Sport treiben und sich bewegen, erkranken seltener an Demenz.2
    • Tragen von Helmen oder Kopfschutz bei Kontaktsportarten, beim Radfahren oder anderen Sportarten mit Risiko auf Kopfverletzungen.2
    • Aufrechterhaltung eines gesunden Gewichts oder möglichst frühzeitige Behandlung von Adipositas (trägt auch zur Vorbeugung von Diabetes bei).2
    • Ab dem mittleren Alter, LDL-Cholesterinspiegel überprüfen und gegebenenfalls senken.2
    • Schädliche Lärmbelastung verringern um Hörverluste zu reduzieren.2
    • Hörgeräte für Menschen mit Hörverlust.2
    • Screening und Behandlung von Sehkraftverlust.2
    • Zigarettenkonsums durch Aufklärung verringern.2
    • Hinweise auf Beratungsstellen zur Raucherentwöhnung.2
    • Sensibilisierung für das Ausmaß und die Risiken eines übermäßigen Konsums.2
    • Maximal 21 Einheiten Alkohol pro Woche.2
    • Förderung kognitiv stimulierender Aktivitäten (ab dem mittleren Alter).2
    • Hinweise auf Angebote, die der sozialen Isolation entgegenwirken (z.B. entsprechende lokale Angebote).2

    Referenzen

    1. DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 5.0, 28.02.2025, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 13.03.2025.
    2. Livingston G, Huntley J, Liu KY, et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024;404(10452):572-628. doi:10.1016/S0140-6736(24)01296-0.

Die Lancet Kommission für Demenz hat die Demenz-Risikofaktoren vor kurzem umfassend neu bewertet und 14 Risikofaktoren ausgewiesen (siehe Abbildung).1 Sofern es gelingt, diese 14 Risikofaktoren vollständig auszuschalten, wären bis zu 45 Prozent aller Demenzfälle vermeidbar.1 Schaffen wir es, sie halbwegs auszuschalten, wäre auch schon viel erreicht.

Angeordnet nach Lebensalter in dem sie am relevantesten sind. Die Prozentzahlen geben an, wie viele Demenzfälle bei vollständigem Ausschalten von Risikofaktoren verhindert werden könnten; insgesamt bis zu 45 Prozent.1

45%
5%
  • Niedriger Bildungsstand 5%
30%
  • Gehörverlust 7%
  • Hoher LDL-Cholesterinspiegel 7%
  • Depressionen 3%
  • Traumatische Hirnverletzungen 3%
  • Körperliche Inaktivität 2%
  • Diabetes 2%
  • Rauchen 2%
  • Hypertension 2%
  • Fettleibigkeit 1%
  • Übermäßiger Alkoholkonsum 1%
10%
  • Soziale Isolation 5%
  • Luftverschmutzung 3%
  • Sehschwäche 2%

Körperlich gesündere Menschen sind besser in der Lage, den Auswirkungen der Neuropathologie zu widerstehen als Menschen, die körperlich ungesund sind.1

In einigen Ländern wurde ein Rückgang der altersbedingten Demenzinzidenz in den letzten 20 Jahren beobachtetet.1 Dazu scheint eine Kombination aus größeren kognitiven und körperlichen Reserven beigetragen zu haben. Reserven entwickeln sich im Laufe des Lebens und tragen zur Erhaltung der kognitiven Gesundheit beziehungsweise zu weniger vaskulären Schäden bei.1 Die Beobachtungen zur Demenzinzidenz bedeuten, dass ein 80-Jähriger heute ein geringeres Demenzrisiko hat als ein 80-Jähriger vor 20 Jahren. Trotzdem steigt die Zahl der Demenzkranken (Prävalenz), insbesondere aufgrund der Alterung der Bevölkerung, weiter an.1 Demenzprävention ist ein zentrales Element der steigenden Prävalenz entgegenzuwirken.

Prävention beinhaltet sowohl politische Veränderungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene als auch individuell zugeschnittene Maßnahmen.1

  • Auf politischer Ebene stehen insbesondere Chancengleichheit (z.B. qualitativ hochwertige Bildung für alle), die Förderung von altersfreundlichen und unterstützenden Gemeinschaftsumgebungen oder Wohnformen zur Verringerung der sozialen Isolation, Anstrengungen die Belastung durch Luftverschmutzung zu reduzieren, die Schaffung von rauchfreien Zonen oder die Preiskontrolle für Alkohol und Tabak im Fokus.1
  • Demenzpräventive Maßnahmen für einzelne Menschen beginnen idealerweise früh im Leben und werden ein ganzes Leben lang fortgesetzt. Das individuelle Risiko ist unabhängig vom genetischen Demenzrisiko (z.B. APOE-Status) modifizierbar. Maßnahmen bestehen typischerweise aus mehreren Komponenten, die verschiedene Risikofaktoren ansprechen (siehe Checkliste).1,2

Bei den demenzpräventiven Maßnahmen für einzelne Menschen schlagen die S3 Leitlinien Demenzen explizit vor, eine Hypertonie zu behandeln, auch mit dem Ziel das Risiko für eine Demenz zu senken.2 Die Behandlung einer Hypertonie und die Kontrolle der Risikofaktoren für eine Demenz haben wahrscheinlich neben einem möglichen Effekt auf das individuelle Demenzrisiko auch andere gesundheitsbezogene protektive Effekte. Die Empfehlung wurde als Vorschlag (⇑) formuliert und die zugrundeliegende Evidenz wurde als moderat (⊕⊕⊕⊝) eingestuft.2 Beispielsweise wurden bei Studien zur Hypertonie der Übergang zu einer Demenz meist nur als sekundärer oder explorativer Endpunkt mitgeführt.2

Als weitere Präventionsmassnahme schlagen die S3 Leitlinien Demenzen vor, bei der Beratung die potenziell modifizierbaren Risikofaktoren für eine Demenz zu berücksichtigten (Expertenkonsensus; Evidenz für Reduktion inzidenter Demenz, Risikofaktoren für Demenzentwicklung: Moderat ⊕⊕⊕⊝) und verweisen für die konkreten Maßnahmen auf die Empfehlungen der Lancet Kommission (siehe Checkliste).1-3

Referenzen

  1. Livingston G, Huntley J, Liu KY, et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024;404(10452):572-628. doi:10.1016/S0140-6736(24)01296-0.
  2. DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 5.0, 28.02.2025, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 13.03.2025.
  3. Livingston G, Huntley J, Sommerlad A, et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission [published correction appears in Lancet. 2023 Sep 30;402(10408):1132. doi: 10.1016/S0140-6736(23)02043-3]. Lancet. 2020;396(10248):413-446. doi:10.1016/S0140-6736(20)30367-6.

Als kognitive Reserve wird die Fähigkeit bezeichnet, schädliche Auswirkungen von Gehirnveränderungen auf die Kognition abzuschwächen.1,2 Erste Hinweise aus Studien deuten darauf hin, dass kognitive Reserven durch körperliche und kognitive Freizeitaktivitäten gefördert werden können.1,2 Solche Aktivitäten sind beispielsweise das Spielen eines Musikinstruments, das Erlernen einer Sprache, einer neuen Sportart oder eines neuen Computerprogramms, Theaterbesuche, Teilnahme an Diskussionsrunden oder ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde oder im Verein.1

Zurzeit fehlen standardisierte Methoden zur Erfassung des Einflusses von Lebensstilfaktoren auf kognitive Reserven, Studienanordnungen bleiben eine Herausforderung und die Evidenz ist entsprechend limitiert.1 Trotzdem erachtet die Arbeitsgruppe die Förderung von körperlichen, kognitiven und auch sozialen Freizeitaktivitäten als Beitrag zum Erhalt von kognitiven Reserven als empfehlenswert (und beispielsweise empfehlenswerter als stundenlanges Lösen von Kreuzworträtseln oder Sudokus), da sie ebenfalls zum Erhalt von kognitiven Reserven beitragen.

Referenzen

  1. Song S, Stern Y, Gu Y. Modifiable lifestyle factors and cognitive reserve: A systematic review of current evidence. Ageing Res Rev. 2022;74:101551. doi:10.1016/j.arr.2021.101551.
  2. Livingston G, Huntley J, Liu KY, et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024;404(10452):572-628. doi:10.1016/S0140-6736(24)01296-0.

Verantwortliche für das Kapitel:

  • Dr. med. Klaus Gehring
  • Dr. med. Uwe Meier

Redaktion:

  • Dr. Martina B. Sintzel