Schematische Darstellung zur frühen Diagnostik einer Alzheimer-Erkrankung
Berichte oder beobachtete kognitive Verschlechterung bei Betroffenen
Klinisch-syndromale Diagnosestellung
– aufgrund typischer Symptomausprägung und Ausschluss sekundärer (nicht-neurodegenerativer) Ursachen.
Diagnostik kognitiver Störungen
Personen mit subjektiven oder objektiven kognitiven Verschlechterungen
Erhebung der Anamnese und orientierende neuropsychologische/neurologische Untersuchung
- Strukturierte Eigenanamnese
- Strukturierte Fremdanamnese
- Orientierende neuropsychologische/neurologische Untersuchung
Objektivierung kognitiver Defizite mittels neuropsychologischer Untersuchung
- Kognitive Kurztests (MoCA > MMSE/DemTect) im nicht-spezialisierten oder spezialisierten Setting
- Ausführliche neuropsychologische Testung im spezialisierten Setting bei negativen Kurztest
Ein anlassloses Screening ist nicht empfohlen.
Hinweis auf leichte kognitive Störung
– oder –
Hinweis auf Syndromale Demenz mit Schweregrad (leicht, mittel, schwer)
Ausschluss sekundärer Ursachen von kognitiven Defiziten
Ausschluss konkurrierende Erkrankungen, z.B. nicht-neurodegenerativer Ursachen von MCI oder Demenz.
Klinisches Interview und standardisierter Fragebogen
- Zur Erfassung von Symptomen einer Depression
Erfassung möglicher konkurrierender somatischer Erkrankungen
- Orientierenden neuropsychologischen/neurologischen Untersuchung (siehe Punkt 1).
- Mindestens folgende Blutuntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte (Na, K, Ca), GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, CRP, TSH, Vitamin B12, eGFR
Strukturelle Bildgebung (MRT > CT)
- Zur Darstellung fokussierter Atrophie (idealerweise quantifiziert nach Schelten-Skala)
- Zur Darstellung des Ausmasses vaskulärer Läsionen (idealerweise quantifiziert nach z.B. Fazekas)
- Zum Ausschluss raumfordernder, ischämischer Prozesse oder anderer Ursachen
Kein Hinweis für potenziell reversible oder anderweitig spezifische Ursache der kognitiven Störung
Klinische Kriterien für eine leichte kognitive Störung (MCI)
– aufgrund von Alzheimer bzw. eine Alzheimer-Demenz prüfen.
Biomarker-gestützte Diagnostik
Zur Bestätigung einer Alzheimer-Pathologie
Liquordiagnostik
- Zum Ausschluss entzündlicher ZNS-Erkrankungen
- Zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer Alzheimer-Pathologie:
- Verhältnis Aβ42/40 bevorzugt gegenüber
Aβ42 allein - Verhältnis pTau/Aβ42 oder tTau/Aβ42
- Verhältnis Aβ42/40 bevorzugt gegenüber
- Blutbasierte Biomarker: Eine Alzheimer-Diagnostik alleine basierend auf blutbasierten Biomarkern wird aktuell nicht empfohlen.
Molekulare Bildgebung
- Amyloid-PET, wenn die Liquordiagnostik nicht möglich ist (nicht für den Klinikalltag, Refinanzierung nur im Einzelfall)
- Tau-PET, bei unklarer Diagnostik zur Erkennung/Ausschluss einer fortgeschrittenen Alzheimer-typischen Tau-Pathologie (nicht für den Klinikalltag, Refinanzierung nicht geklärt)
- FDG-PET und HMPAO-SPECT sind nicht für die Alzheimer Diagnostik geeignet.
- HMPAO-SPECT ist ungenau. Es kommt allenfalls zum Einsatz, wenn kein FDG-PET verfügbar ist.
- FDG-PET kann bei spezifischen differentialdiagnostischen Fragestellungen zum Einsatz kommen.
Der Übergang von MCI zur Demenz ist unscharf und misst sich an der Beurteilung der Alltagskompetenz.
Bei eindeutigem Biomarker-Nachweis (Amyloid und Tau) kann die Diagnose Alzheimer-Krankheit
bereits im Stadium der leichten kognitiven Störung (MCI) bestätigt werden.
Aufklärung über Befund und Diagnose, Beratung, Therapie
Zeitgerechte Diagnose der Alzheimer-Krankheit
Gemäss den S3 Leitlinien Demenzen soll heute mit folgender Begründung eine Diagnose «zeitgerecht» erfolgen (Expertenkonsensus):
«Eine zeitgerechte Diagnose ist die Grundlage der Behandlung und Versorgung von Menschen mit Demenz und soll den Betroffenen ermöglicht werden.»1
Unter dem Begriff «zeitgerechte Diagnose» wird ein Diagnosezeitpunkt verstanden, der eine bestmögliche weitere Behandlung und Versorgung der betroffenen Person ermöglicht. Das ist beispielsweise ein Zeitpunkt an dem wirksame Interventionsmöglichkeiten eingesetzt werden können, von denen die betroffenen Personen profitieren, sei es im Sinne einer Verbesserung der Symptome oder einer Verzögerung des Fortschreitens des Krankheitsverlaufs. Eine bestmögliche Behandlungsqualität bedeutet auch die Ermöglichung eigenständiger informierter Entscheidungen in Bezug auf die eigene Lebensplanung (z.B. Advance Care Planning). Eine zeitgerechte Diagnose («timely diagnosis») ist nicht grundsätzlich, aber häufig eine Diagnose im frühen Krankheitsstadium.1 Diese Sichtweise steht im Einklang mit wissenschaftlichen Diskussionen auf internationaler Ebene, wird aber teilweise kritisch gesehen.
Nicht alle teilen diese Meinung, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) weist in einem Sondervotum in den S3 Leitlinien Demenzen darauf hin, dass es bisher keine eindeutige Evidenz dafür, dass eine frühe Diagnosestellung von Vorteil ist und welcher Zeitpunkt als zeitgerecht anzusehen ist.1,2
Die DEGAM empfiehlt eine Diagnosemitteilung «entsprechend einer individuell an die persönliche Situation und Verfassung von Betroffenen und Angehörigen orientierten Vorgehensweise». Auch das Recht auf Uninformiertheit von Patienten soll berücksichtigt werden.1 Zudem rät die DEGAM bei der Indikationsstellung die wahrscheinlich erhöhte Rate von Suizidversuchen und etwaige negative Auswirkungen auf die Lebensqualität zu berücksichtigen, insbesondere bei Personen mit einer leichten kognitiven Störung.1