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Alzheimer – Das Wichtigste in Kürze
Es wird angenommen, dass die Alzheimer-Erkrankung kontinuierlich fortschreitet.1,2
- Charakteristische neuropathologische Veränderungen (Amyloid Proteine, Tau Proteine) können festgestellt werden, bevor klinische Symptome auftreten.
- Klinische Symptome manifestieren sich erstmals im Stadium der leichten kognitiven Störungen (mild cognitive impairment, MCI) aufgrund der Alzheimer-Erkrankung.
- Gegebenenfalls sind kognitive Einschränkungen vorab subjektiv wahrnehmbar, objektivierbar werden sie zum Zeitpunkt der MCI.
- Mit dem Fortschreiten der Erkrankung können psychische und Verhaltenssymptome hinzukommen, Einschränkungen im Alltag nehmen zu und der Unterstützungsbedarf eines Betroffenen steigt an.
- Wird eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert, wird zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Alzheimer-Demenz unterschieden.
- Bislang wurde die Alzheimer-Krankheit häufig erst im Stadium der Demenz basierend auf einem typischen klinischen Syndrom und nach Ausschluss anderer Demenzursachen diagnostiziert.
Die frühen Stadien der Alzheimer Krankheit gewinnt an Bedeutung:
- Die diagnostischen Möglichkeiten für die früheren Stadien der Alzheimer-Krankheit haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt.
- Die zu erwartenden krankheitsmodifizierenden Immuntherapien haben ihre Wirkung in den frühen Krankheitsstadien gezeigt, z.B. MCI der Alzheimer-Erkrankung und werden entsprechend in der Klinik eingesetzt werden.1,2
- Für eine Einflussnahme auf potenziell modifizierbare Risikofaktoren für eine Demenz,3 ist ein frühes Erkennen der Risikopopulation von Bedeutung.
Alzheimer-Kontinuum
Abbildung 2: Stadien der Alzheimer-Erkrankung, angepasst nach Porsteinsson.1
Die Stadien der Alzheimer-Erkrankung
Präklinische Alzheimer-Erkrankung
Der Beginn der Alzheimer-Erkrankung umfasst in der Regel eine lange asymptomatische Phase, in der die Betroffenen zwar Anzeichen einer Alzheimer-Pathologie, aber keine Anzeichen einer kognitiven oder funktionellen Beeinträchtigung aufweisen.1 Das Alltagsleben von Betroffenen ist nicht beeinträchtigt. Die Pathologie ist, gemäss heutigem Kenntnisstand, wesentlich durch Amyloidablagerungen und Neurofibrillen aus aggregiertem Tau-Proteinen charakterisiert, die sich bis zu 30 Jahre vor dem Auftreten der Demenz entwickeln.
Das Risiko des Fortschreitens zu einer leichten kognitiven Störung (MCI) aufgrund von Alzheimer-Demenz (mit oder ohne Verhaltenssymptome) hängt von einer Reihe von Faktoren ab, darunter Alter, Geschlecht, genetische Eigenschaften und kognitive bzw. körperliche Reserven.1 Eine Studie schätzte die mediane Zeitspanne von präklinischer Alzheimer-Krankheit bis zu MCI aufgrund von Alzheimer auf 7,8 Jahre und von präklinischer Alzheimer-Krankheit bis zur Alzheimer-Demenz auf 15,2 Jahre.2 Andere Erhebungen deuten auf eine typische Zeitspanne von 6 bis 10 Jahren von der präklinischen Phase zu MCI aufgrund von Alzheimer.1
Prognose
Prognose: Nicht alle Personen, die eine zugrunde liegende Alzheimer-Pathologie haben, entwickeln später eine MCI oder eine Alzheimer-Demenz.1,3
- Eine Modellberechnung geht davon aus, dass das Lebenszeitrisiko für eine 90-jährige Frau, die nur an Amyloidose erkrankt ist, bei 8,4% liegt, wäre sie 65 Jahre alt, läge das Risiko bei 29,3%.3 Das unterschiedliche Risiko erklärt sich durch Unterschiede in der Lebenserwartung, die bei älteren im Vergleich zu jüngeren Personen kürzer ist.
- Für die Risko Abschätzung sind die Anzeichen der Alzheimer Erkrankung ausschlaggebend: Ist beispielsweise eine Person jünger als 85 Jahre und leidet sie an einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, Amyloidose und Neurodegeneration, liegt das Lebenszeitrisiko einer Alzheimer-Demenz bei über 50%. Das Lebenszeitrisiko von Frauen ist im Allgemeinen höher als das von Männern, da sie länger leben.1
Ob sich eine MCI aufgrund von Alzheimer oder eine Alzheimer-Erkrankung entwickelt, hängt auch davon ab, wie weit die präklinische Phase fortgeschritten ist. Die 2011 Kriterien des US National Institute on Aging und der US Alzheimer’s Association (NIA-AA) unterteilen die präklinische Phase der Alzheimer-Erkrankung in drei Stadien.4
Gemäß einer Meta-Analyse haben die Patienten in der frühesten Phase (Stadium 1) das geringste Risiko MCI oder Alzheimer zu entwickeln (20%, 95% Konfidenz-Intervall (KI) = 10–34%), im Vergleich zu denen in den späteren Stadien 2 und 3 (Stadium 2: 38%, 95% KI = 21–59%; Stadium 3: 73%, 95% KI = 40–92%).4 Stadium 3 Patienten haben subtile kognitive Beeinträchtigungen und eine positive Reaktion auf pathophysiologische Marker der Alzheimer-Krankheit,4 erfüllen jedoch die Kriterien für MCI aufgrund der Alzheimer-Erkrankung nicht.
Leichte kognitive Störungen (MCI) aufgrund der Alzheimer-Erkrankung
Der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses (mit oder ohne Verhaltenssymptome) ist das häufigste Frühsymptom bei Patienten, die aufgrund von Alzheimer zu MCI fortschreiten.1,2 Verschlechterungen in anderen kognitiven Bereichen folgen. Im Alltag haben betroffene Personen oft Schwierigkeiten das richtige Wort zu finden (Sprache), sie vergessen kürzliche Unterhaltungen (episodisches Gedächtnis), haben Mühe ihnen geläufige Aufgaben zu erledigen (exekutive Funktion) oder verlieren die Orientierung in vertrauter Umgebung (visuell-räumliche Funktion).1,2 Erfahrungen und Symptome sind sehr unterschiedlich, da jede Person über eigene Bewältigungsmechanismen und kognitive Reserven verfügt. Nach Definition kann die MCI mit geringen Alltagsbeeinträchtigungen verbunden sein, ist aber im Wesentlichen durch die erhaltene Selbstständigkeit definiert.3 Der Übergang zu einer Demenz ist unscharf und bemisst sich an der Bewertung des Ausmaßes der Alltagskompetenzen. Die Differenzierung von der Demenz hängt auch von den individuellen Fähigkeiten, Gewohnheiten und Lebensumständen der Betroffenen, den Angaben der Angehörigen und der Einschätzung der diagnostizierenden Person ab.3
Prognose
Die Prognose für Patienten mit MCI aufgrund von Alzheimer kann unsicher sein; die beschriebene jährliche Progressionsrate reicht von 8,1% in klinischen Studien4 zu 13,7% in grossen Registern.5 Neuere Untersuchungen ziehen oft Biomarker (Amyloid, Tau) oder moderne bildgebende Verfahren (Positronen-Emissions-Tomografie, PET) für eine aufschlussreichere Prognose hinzu.6
- Eine grosse internationale Kohorten-Studien zeigte, dass Menschen mit MCI aufgrund von Alzheimer und gleichzeitig vorliegender Biomarker-diagnostizierter Alzheimer-Pathologie mit 90%iger Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 5 Jahre eine Demenz entwickeln.6,7
- Hingegen weisen Personen mit derselben leichten MCI Symptomatik ohne einen auffälligen Biomarkerbefund lediglich ein Risiko von unter 10% auf, innerhalb von 5 Jahren eine Demenz zu entwickeln.6,7
- Ergebnisse einer kürzlich erschienen Meta-Analyse deuten in eine ähnliche Richtung: Amyloid-positive Menschen mit einer MCI Symptomatik haben ein 3 bis 5-mal höheres Risiko eine Demenz zu entwickeln als vergleichbare Amyloid-negative Menschen; kommt zur Amyloid Positivität auch noch Tau-Positivität hinzu, erhöht sich das Risiko nochmals deutlich.8
Alzheimer-Demenz (leicht, mittelschwer, schwer)
Wie erwähnt ist der Übergang von einer leichten kognitiven Störung zu einer Demenz unscharf und bemisst sich an der Bewertung des Ausmaßes der Alltagskompetenzen.1 Mit fortschreitender Alzheimer-Demenz entwickeln Betroffene zunehmend schwerwiegende kognitive Defizite, die das soziale Leben beeinträchtigen und Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens werden erforderlich (Abbildung 1). Mit dem weiteren Fortschreiten der Krankheit kommen auffällige Verhaltenssymptome hinzu, die die Patienten und ihre Betreuer erheblich belasten, und die Krankheit führt schließlich zu einem weitreichenden Verlust der Unabhängigkeit und der Notwendigkeit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung.2,3
Biomarker für die Alzheimer-Krankheit
Neuropathologische Korrelate der Alzheimer-Krankheit sind extrazelluläre Ablagerungen des Amyloid-β1–42-Proteins und intrazelluläre Ablagerungen des phosphorylierten Tau-Proteins (pTau).1 Entsprechend werden in der Diagnostik einer Alzheimer-Krankheit Marker für die Amyloid-Pathologie und für die Tau-Pathologie eingesetzt. Für die klinische Praxis validiert und entsprechend in der Diagnostik empfohlen sind die drei Liquor-Biomarker Aβ42, pTau und Gesamt-Tau.2 Sie werden in Fällen einer MCI und bei Anzeichen einer Demenz zur ätiologischen Zuordnung von kognitiven Defiziten hinzugezogen um beispielweise eine frühe Alzheimer-Krankheit von einer frontotemporaler Demenz oder einer vaskulär kognitiven Störung/Demenz zu unterscheiden.2
Prognose
Bei Menschen im Stadium einer MCI lässt sich aufgrund von Amyloid und Tau (pTau und/oder Gesamt-Tau) Liquor-Marker Befunden das Risiko für die Entwicklung einer Demenz abschätzen:
- Bei pathologischen Befunden von Amyloid und Tau-Markern liegt das Risiko innerhalb von 5 Jahren eine Demenz zu entwickeln bei ca. 90%, das entsprechende Risiko bei nicht pathologischen Befunden von Amyloid und Tau-Markern liegt bei ca. 10%. Weist nur ein Marker pathologische Befunde aus, liegt das Risiko dazwischen1,3
Blutbasierte Biomarker
Die Datenlage für die blutbasierten Biomarker zur Alzheimerdiagnostik ist sehr valide.2 Sie können in Zukunft eine nicht-invasive und breitflächig einsetzbare Diagnostik ermöglichen. Aktuell wird die Bestimmung einiger blutbasierter Biomarker (phosphorylierte Tau-Proteine und Amyloid-Werte) schon angeboten, allerdings mit nicht validen Cut-Off-Werten und ohne CE-Zertifikat, eine Kostenübernahme der Versicherungsträger erfolgt nicht.2
Die Diagnose der Alzheimererkrankung alleine basierend auf blutasierten Biomarkern wird aktuell nicht empfohlen.2 Die Interpretation der Ergebnisse ist komplex und muss durch einen Spezialisten erfolgen.
Biomarker in klinischer Entwicklung
Eine Reihe von weiteren Biomarkern (liquor- oder blutbasiert) zur Diagnose oder Prognose der Alzheimer-Krankheit wird in der Forschung eingesetzt.1,2 Dazu gehören spezifischere Tau-Marker wie MTBR-tau243 (microtubule-binding region (MTBR) of tau containing the residue 243)4 oder Marker zur Bestimmung der Neurodegeneration.1
Phänotypen der Alzheimer Krankheit
Häufige Phänotypen der Alzheimer Krankheit1,2
Amnestische (häufigste) Variante
Fortschreitendes amnestisches Syndrom vom «Hippocampus-Typ»
Posteriore kortikale Atrophie
Fortschreitende Störung der visuellen ± anderen posterioren kognitiven Funktionen
Logopenische Variante Primär progressiven Aphasie (lvPPA)
Fortschreitende Beeinträchtigung beim Abruf von Einzelwörtern und der Wiederholung von Sätzen
Seltene Phänotypen der Alzheimer Krankheit
Behavioral-dysexekutive Variante
Fortschreitende Apathie oder Verhaltensenthemmung und stereotypisches Verhalten oder fortschreitende vorherrschende exekutive Dysfunktionen
Kortikobasales Syndrom
Fortschreitende asymmetrische klinische Erscheinung, einschließlich Gliedersteifigkeit oder -akinesie, Dystonie, Myoklonie, orobukkale oder Gliedmaßenapraxie, kortikales sensorisches Defizit, Alien-Limb-Phänomen
Andere Varianten der Primär Progressiven Aphasie (PPA)
Semantische oder nicht flüssige PPA-Varianten